René Seidel ist Vorsitzender von LÖBAULEBT e.V. und in seine Geburtsstadt zurückgekehrt, um etwas zu bewegen. Sein Verein organisiert Kulturveranstaltungen in einer Stadt, die sonst eher keine alternative Kulturszene hat. Zusätzlich betreibt er Jugendarbeit, unter anderem in einem Makerspace und in generationenübergreifenden Projekten. Vom Sächsischen Justizministerium, das gemeinsam mit TRAFO die Ideenreise nach Löbau veranstaltet hat, wird der Verein seit 2022 im Programm „Orte der Demokratie“ gefördert.
Lieber Herr Seidel, worauf haben Sie mit Ihrem Verein reagiert? Was wollen Sie in Ihrer Kommune verändern?
René Seidel: In Löbau gibt es aus unserer Sicht einen großen Bedarf an kleineren Kulturformaten wie Konzerten, Kinovorstellungen oder Lesungen. Wir sind angetreten um das Kulturprogramm etwas bunter zu machen und um ein paar Highlights zu ergänzen. Dadurch waren wir in den ersten Jahren überall in der Stadt mit verschiedenen Formaten unterwegs. Seit 2019 sind wir in einem Haus in der Innenstadt. Inzwischen hat sich der Fokus des Vereins hin zur Bürgerbeteiligung und Demokratiebildung verschoben.
Sie haben auch viel getan für die Jugendlichen in Löbau…
Seidel: Jugendliche sind gleich am Anfang auf uns zugekommen und haben uns gesagt, dass ihnen in Löbau ein Raum außerhalb der Schule fehlt, an dem sie experimentieren können ohne Lehrplan oder „Überwachung“ durch Lehrpersonal. Als wir in unser Haus an der Bahnhofstraße eingezogen sind, haben wir gemeinsam mit ihnen einen Raum eingerichtet. Wir haben auch gemeinsam die ersten Anträge für Einrichtung und Technik geschrieben. Ab diesem Moment haben die Jugendlichen unsere Werkstatt praktisch selbstverwaltet. Sie haben einen eigenen Schlüssel. Unser Makerspace „Geistesblitz“ ist sicherlich einer mit der besten Ausstattung in Sachsen. Es geht um 3D-Druck aber auch Themen wie Recycling, VR-Technik und teilweise auch künstlerische Formate und Workshops.
Was haben Sie bis heute bewirkt und woran machen Sie das fest?
Seidel: Wir sind seit der Gründung erst durch Kunst und Kultur und jetzt durch unsere Beteiligungsformate zu einem Anlaufpunkt für die breite Stadtgesellschaft geworden. Immer mehr Menschen kommen auf uns zu, um mit uns Projekte auf den Weg zu bringen, die die Stadt besser machen sollen. Das bringt viel Arbeit mit sich, macht uns aber auch stolz hier so gut angekommen zu sein.
Wie kommen Sie ins Gespräch mit den Leuten? Und wie gelingt es Ihnen, sichtbar zu werden?
Seidel: Wir laden zu Workshops und Gesprächsrunden ein, um uns die Wünsche und Ideen anzuhören. Außerdem haben wir in unserer Ladenfläche eine offene Bürozeit, die sehr gut angenommen wird. Wir stecken außerdem viel Zeit in unsere Internetseite, in die sozialen Medien und viel Energie in die Werbung über Plakate oder Artikel in lokalen Zeitungen. Die Jugendlichen haben besonders in der Anfangsphase der Werkstatt selbst viel Werbung gemacht um Firmen, Museen oder Privatleute anzulocken, die mit dem Thema 3D-Druck in Berührung kommen wollten. Außerdem gab es mehrere Touren durch die gesamte Lausitz zu den Themen Recycling oder VR-Brillen, sodass mittlerweile unser Makerspace im Landkreis Görlitz und teilweise darüber hinaus ein Begriff ist.
Haben Sie anfangs eher Gegenwind oder gleich Unterstützung erfahren?
Seidel: Sowohl als auch: Gerade in der Anfangszeit waren viele eher skeptisch, was wir da genau vorhaben. Auch weil wir unbekannte Gesichter waren, hat es gedauert bis Vertrauen aufgebaut war. Mittlerweile ist durch die Vielzahl der guten Veranstaltungen, die wir durchgeführt haben, eine große Unterstützung in der Stadt zu spüren. Dadurch ergeben sich auch viele Kontakte für Kooperationen mit zum Beispiel städtischen Einrichtungen.
Was war Ihr bisheriges Highlight?
René Seidel: Unsere erste Veranstaltung, die Ausstellung im Gewandhaus. Dort haben wir ein Gebäude geöffnet, dass schon seit 15 Jahren geschlossen war. Das war der Startschuss für alle weiteren Aktivitäten. Wir konnten dabei die Stimmen vieler Menschen einsammeln, die später in unser Vereinsprogramm eingeflossen sind. Und für unsere Jugendlichen? Das war ganz klar der Gewinn des Innovationspreises Weiterbildung Sachsen im vergangenen Jahr. Da haben die vielen Anstrengungen der Jugendlichen eine besondere Würdigung von offizieller Stelle erfahren.
Lieber Herr Seidel, vielen Dank für das Gespräch.