Der von der Stiftung Genshagen entwickelte Themenraum ging der Vergangenheit und Gegenwart von Kulturhäusern in Deutschland, Polen und Frankreich nach und fragte nach ihrem Potenzial für die Zukunft. Wie bereichern Kulturhäuser ländliche Räume? Wie sind sie organisiert und vor welchen Herausforderungen stehen sie? Welche beteiligungsorientierten Konzepte und Strategien gibt es?
In der DDR gab es 1990 immerhin 2.500 Kulturhäuser. Gerade in kleinen Städten und Dörfern waren sie Institutionen, in denen sich ein großer Teil des kulturellen Lebens abspielte. Nach der Wende wurden in Deutschland viele Kulturhäuser abgerissen oder dem Verfall überlassen. In Frankreich gibt es vom Kulturministerium in der Tradition von Kulturhäusern geförderte Bühnen und Kulturzentren, die neben dem zeitgenössischen Kunstschaffen auch einen Vermittlungsauftrag haben und sich als Orte der Begegnung begreifen. In Polen wurden die Kulturhäuser nach 1989 neu konzipiert, wiederbelebt und spielen bis heute eine zentrale Rolle für das Kulturleben auch jenseits der großen Städte.
Historische Einordnung und Vortrag: „Kultur von und mit allen“
Kulturhäuser haben eine lange Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Ihre Geschichte ist im deutsch-französisch-polnischen Vergleich allerdings sehr unterschiedlich verlaufen und ihre heutige gesellschaftliche Rolle je nach Land eine andere. Der Mitschnitt beginnt mit einer Einführung von Julia Effinger und Magdalena Nizioł, Projektleiterin „Kunst- und Kulturvermittlung in Europa“, Stiftung Genshagen.
In ihrem Vortrag „Kultur von und mit allen“ stellt die Kulturwissenschaftlerin Prof. Dr. Birgit Mandel, Professorin für Kulturvermittlung und Kulturmanagement am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim, die strukturellen und kulturpolitischen Rahmenbedingungen sowie die Ziele und Nutzung von Kulturhäusern in der DDR vor und vergleicht diese mit den soziokulturellen Zentren in der BRD. Welche Impulse lassen sich aus den Erkenntnissen der DDR-Zeit für die Gestaltung aktueller teilhabeorientierter Kulturorte, vor allem in ländlichen Regionen, gewinnen?
Der Vortrag wurde am 28/09/2023 im Wirkbau Chemnitz aufgezeichnet.
Impulse aus der Praxis: Kulturhäuser aus Frankreich und Polen
Neben Einblicken in die Geschichte der Kulturhäuser und soziokulturellen Zentren in Deutschland zeigten zwei Beispiele aus Polen und Frankreich, warum dort Kulturhäuser weiterhin von Bedeutung sind. Das voneinander Lernen über Grenzen hinweg und der Wissens-, Praxis- und Erfahrungstransfer führen im besten Fall zur Weiterentwicklung und Stärkung von Kulturorten in ländlichen Räumen. Welche Rolle könnten Kulturhäuser auch bei uns heute spielen?
Hinweis: Die beiden Impulse aus der Praxis wurden beim Ideenkongress simultan ins Französische und Polnische übersetzt. Die folgenden Mitschnitte stehen jeweils nur in der Originalsprache zur Verfügung.
Scène Nationale Snat61, Frankreich [fr]
Scène Nationale Snat61, France [pl]
Die Snat61 war zunächst ein staatlich gefördertes Kulturentwicklungszentrum – eine Nachfolgeeinrichtung der französischen Kulturhäuser, und erhielt 1992 mit ihren drei Standorten vom Kulturministerium das Label „Scène nationale“ (Nationalbühne). Als kultureller Impulsgeber für das gesamte ländliche Departement Orne wurde die Snat61 (in Anspielung auf die Ordnungsnummer 61 des Landkreises) 2021 zusätzlich zur „Fabrique de territoire“ ernannt und somit zu einem Koordinationszentrum für Dritte Orte in der Region. Sie bietet ein interdisziplinäres zeitgenössisches Programm (Theater, Tanz, Musik, Zirkus etc.) sowie Vermittlungsprojekte und versteht sich als Begegnungsort für die ansässige Bevölkerung.
• Régine Montoya, Direktorin Scène Nationale Snat61 / Directrice Scène Nationale Snat61
Kulturhaus in Piotrowice, Polen [pl]
Dom kultury w Piotrowicach, Polska [pl]
Das Kulturhaus der Gemeinde Strzyżewice mit Sitz in Piotrowice arbeitet seit vielen Jahren als offenes Kulturzentrum und verbindet in seinen Aktivitäten die drei Säulen Partizipation, Bildung und Tradition. Dieses Konzept ermöglicht, das kulturelle Potenzial der Einwohner*innen durch Eigeninitivative und nach dem Bottom-up-Prinzip zu entwickeln. Neben einer breiten Palette an Angeboten für verschiedene Altersgruppen werden Veranstaltungen initiiert, die z. B. generationsübergreifend junge Sänger*innen und Musiker*innen mit Amateurtheatergruppen von älteren Einwohner*innen und Aktivitäten im Bereich der traditionellen und Volksmusik in der Gemeinde zusammenbringen.
• Tomasz Hanaj, Direktor Kulturhaus Piotrowice / Dyrektor domu kultury w Piotrowicach
Der Themenraum wurde am 28/09/2023 um 9:30 Uhr im Wirkbau Chemnitz aufgezeichnet.