Vom 11. bis 12. Juli 2023 fand die TRAFO-Ideenreise #12 in Kooperation mit dem Förderprogramm „FreiRäume“ des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg statt. Im Zentrum der zweitägigen Reise standen drei Projekte, die durch ganz unterschiedliche Ansätze von Beteiligung geprägt sind.
An der ersten Station unserer Reise besuchten wir das ehemalige Baumwolllager der ERBA-Spinnerei in Wangen, wo die Gruppe „Hot like Beats“ in diesem Jahr zwei Clubbing-Reihen mit einer Kombination aus DJ-Sets und Akrobatik veranstaltet. Im Rahmen eines 2019 von der Stadt Wangen initiierten Bürgerbeteiligungsprozesses zur Neubespielung des Areals formulierten die Menschen vor Ort einen klaren Bedarf: Es fehlt hier an Clubkultur, einem persönlichen Entfaltungsort für junge Menschen. Daraufhin entwickelte „Hot like Beats“ in mehreren Workshops mit jungen Menschen ein Veranstaltungskonzept, das diese Lücke schließen sollte. Ein Prozess, der nicht immer leicht war, wie Katharina Bernt von der Stadt Wangen, mitverantwortlich für die Landesgartenschau 2024, offenlegt: „Menschen tun sich sehr schwer, Ideen für etwas zu entwickeln, das man noch nicht sehen kann“. Doch die Mühe hat sich ausgezahlt: die ersten Veranstaltungen trafen auf durchweg positive Resonanz und ein starkes Medienecho, berichtete Markus Endres von „Hot like Beats“ vor Ort. So könnte es für die Stadt Wangen weitergehen. Doch wie genau dies nach 2024 aussehen soll, ist noch offen: Nachdem die Räumlichkeiten vorübergehend der Landesgartenschau zur Verfügung gestellt werden, soll das Gebäude zwar weiterhin als Kultur- und Veranstaltungsort genutzt werden. Doch ein Betreibermodell gäbe es noch nicht, so Katharina Bernt.
Wie generationsübergreifende Beteiligung einen Ort belebt und Gemeinschaft stärkt, erfuhren die Ideenreise-Teilnehmenden anschließend in Tafertsweiler, einem kleinen Ortsteil der Stadt Ostrach mit knapp 300 Einwohnern. Empfangen wurden wir hier herzlich durch den Bürgermeister Christoph Schulz und den Verein Tafertsweiler Dorfgemeinschaft e.V., der mit ehrenamtlicher Unterstützung des gesamten Dorfes ein altes Schulgebäude saniert und zu einem neuen Dorfgemeinschaftshaus umgebaut hat. Dreh- und Angelpunkt ist hier seit Beginn der Kinderchor, welcher unterschiedlichste Generationen aus dem Dorf zusammenbringt und für die jeweiligen Eltern oder Großeltern nicht selten Anlass sei, sich ebenfalls zu engagieren, wie uns Franz Kerle, Vorstandsmitglied und treibende Kraft des Vereins erzählt. Möglichkeiten hierzu gibt es genügend: Neben monatlich stattfindenden Kulturveranstaltungen und Kneipenabenden findet einmal im Jahr das Singer-Songwriter Festival statt. Ein Festival mit überregionaler Strahlkraft, wie Kerle mit Stolz berichtet. Man würde sich um die Auftrittsmöglichkeiten mittlerweile reißen. Bei der Umsetzung packt das ganze Dorf kräftig mit an. Der Vorteil: auf diese Weise bleibe alles in überschaubarem Rahmen und man habe selbst noch Spaß bei der Sache, wie uns einer der anwesenden Ehrenamtlichen berichtet.
Der Besuch des „Schloss Blumenfeld“ bildete den Abschluss der Ideenreise #12. Auf einer kleinen Anhöhe der Stadt Tengen gelegen, wurde das leerstehende Schloss zwischen 2021 und 2022 im Rahmen des Zwischennutzungskonzepts „Summer of Pioneers“ als Kultur- und Begegnungsort wiederbelebt. Jeweils für sechs Monate lebten hier junge Menschen aus Deutschland und der Schweiz und entwickelten ein umfangreiches Kulturprogramm, eröffneten ein Café und bauten Beziehungen zu den Menschen vor Ort auf. Für Selcuk Gök, Bürgermeister von Tengen, ist deutlich geworden: „Kultur ist eine Wiederbelebungsmaßnahme von Leerstand, aber auch eines ganzen Dorfes. Die Türen des Schlosses dürfen nie wieder zugehen, denn hier ist die neue Dorfmitte. “ Auf Initiative seines Vorgängers wurde ein Bürgerverein gegründet, der im Zusammenspiel mit einem Kernteam und ehrenamtlichen „Zukunftsortgestalterinnen“ mittlerweile die Arbeit weiterführt. Finanziert wird das Projekt von der Stadt noch bis September 2023, ein langfristiges Finanzierungsmodell ist in Planung. Das akteursübergreifende Konzept scheint ein Erfolgsmodell zu sein. Der Weg dorthin war jedoch nicht immer leicht, so Nadja Kögel, Teil des Kernteams und ehemalige „Pionierin“. Die Aushandlung klarer Rollen und Verantwortlichkeiten in der Zusammenarbeit habe Kraft gekostet, eine Prozessbegleitung nicht gegeben. Doch auch daran sei die Gruppe gewachsen, „die Überforderung war Anreiz, nach vorne zu gehen“.