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Editorial

Orte für Begegnung


Ziemlich genau in die Zeit der ersten Kontaktbeschränkungen fiel die geplante Veröffentlichung dieses Newsletters. Es schien uns abwegig, über die Bedeutung von Begegnungsorten zu sprechen, während das Wohl unserer Mitmenschen abhängig war vom Abstandhalten. Jetzt, da die ersten Monate der Pandemie hinter uns liegen – die Erfahrung des Social Distancing, die Leere in Restaurants, auf Spielplätzen, in Museen und Bibliotheken – drängt die Frage nach dem Wert der Begegnung umso mehr. Wie unverzichtbar die Orte sind, an denen wir uns treffen, unmittelbar Gemeinschaft erleben und unser Miteinander gestalten, hat die Corona-Krise schmerzlich bewusst gemacht. Dass das insbesondere für das Leben in ländlichen Regionen gilt, zeigen die Beiträge dieses Newsletters eindrücklich.

Denn die Orte, an denen man sich begegnet, werden in vielen ländlichen Regionen weniger. Wenn Vereinshäuser, Cafés, Kinos oder Läden schließen, weil der Generationenwechsel nicht klappt oder der Umsatz zu gering geworden ist, dann fällt oft mehr weg als ein Ort zum Einkehren, Filmeschauen oder Einkaufen. Es fehlen Orte, an denen sich die Menschen austauschen, Unterstützung finden oder gemeinsame Ideen umsetzen. 

Wie können neue Begegnungsorte aussehen? Wo können sie entstehen? Und wer soll sich um das Thema kümmern? Verschiedene Begriffe haben derzeit Konjunktur in der Debatte um Begegnungsorte: „Dritte Orte“, „Gemeinwesenzentren“, „Kulturelle Anker“ oder „Soziale Orte“. Dahinter stehen verschiedene Vorstellungen über ihre Aufgaben. Ein Gedanke aber verbindet fast alle Konzepte von Begegnungsorten: In der Mehrzahl der Orte soll es auch Kultur geben. 

Dieser Newsletter soll den kulturellen Aspekt im Hinblick auf die Zukunft von Begegnungsorten auf dem Land beleuchten. Wir geben einen Einblick, mit welchen Konzepten sich die Forschung aktuell in diesem Zusammenhang beschäftigt. Mit zwei Beispielen aus der Praxis zeigen wir, dass hinter den neuen Orten der Begegnung auf dem Land unterschiedliche Akteure stehen: Häufig sind es kulturelle Einrichtungen, die darin eine neue Aufgabe für sich sehen, oder zivilgesellschaftliche Initiativen. Und schließlich haben wir Experten der Raumplanung gebeten, ihre Perspektive auf die ländlichen Begegnungsorten zu schildern.

Mit dieser Publikation beginnen wir eine Folge thematischer Newsletter, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der Kultur in ländlichen Regionen befassen. Alle Beiträge der Newsletter lesen Sie auch in unseren digitalen Themendossiers.   

Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre!

 

Thema: Begegnungsorte in ländlichen Regionen

Foto: Tobias Bringmann

Ein neues Miteinander: Wie Soziale Orte und Gemeinwesenzentren unser Leben bereichern

Soziale Orte stiften Zusammenhalt und sind überlebenswichtig für unsere Gesellschaft, meint Claudia Neu, Leiterin des Fachgebiets Soziologie ländlicher Räume an der Universität Göttingen und Kassel. Sie wagt außerdem einen Ausblick auf die Zeit nach Corona: Erwächst aus dem Social Distancing eine Gefahr für unser gemeinschaftliches Erleben? Gemeinwesenzentren sind Orte, an denen Menschen zusammenkommen, Netzwerke knüpfen, Kultur- und Bildungsangebote wahrnehmen und auch politisch tätig werden. Stephan Beetz, Soziologie-Professor an der Hochschule Mittweida, und Andrea Gaede vom Landesverband Soziokultur Sachsen e.V. sprechen ihnen eine zentrale Bedeutung zu: Sie sollten selbstverständlicher Bestandteil kommunaler und staatlicher Infrastruktur sein. 

Hof Prädikow | Foto: Jörg Gläscher / Robert Bosch Stiftung

Neue Aufgaben: Wie Kultureinrichtungen und die Zivilgesellschaft in ländlichen umen Begegnung und Austausch bewirken

Hinter neuen Begegnungsorten auf dem Land stehen oft Kultureinrichtungen oder zivilgesellschaftliche Initiativen. Auf welche Weise Kultureinrichtungen selbst zu Begegnungsorten werden und zur Arbeit an Themen einladen, die das Miteinander in der unmittelbaren Umgebung betreffen, beleuchtet Samo Darian, Leiter des Programms TRAFO. Beispiele aus den TRAFO-Regionen zeigen, wie kulturelle Einrichtungen auch Gelegenheiten zur Begegnung außerhalb ihrer Häuser schaffen. Andreas Willisch vom Thünen-Institut beschreibt die Gelingensbedingungen für neue Orte der Zivilgesellschaft in ländlichen Regionen. Denn auch Menschen, die ehemalige Dorfläden oder Gasthäuser in privater Initiative als Treffpunkte für die Dorfgemeinschaft betreiben und neue Formen des gemeinsamen Arbeitens und Lebens erproben, sind Treiberinnen eines Aufbruchs auf dem Land. 

Foto: Franz Grünewald

Gegen den Trend: Perspektiven der Raumplanung für schrumpfende Orte

Ländliche Räume stehen unter einem großen Veränderungsdruck. Besonders der demografische Wandel sorgt dafür, dass Ortskerne veröden und es weniger Dorfläden, Gaststätten oder Vereinshäuser gibt. Die ARL – Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft haben wir gebeten, sich aus Perspektive der Raumplanung mit dem Thema „Begegnungsorte“ zu beschäftigen. Was können Raumplaner tun, um Orte zu schaffen, an denen Menschen sich treffen und austauschen können? Wie können Architektinnen leere Ortskerne mit spezifisch angepassten Baumaßnahmen revitalisieren? Axel Priebs zeigt in seinem Beitrag, wie kleine und mittelgroße Städte als wichtige Knotenpunkte zu Versorgungszentren des sie umgebenden ländlichen Raumes werden. Sabine Baumgart beschreibt, wie planerische und bauliche Lösungen Leben in verlassene Orte zurückbringen können.

Foto: Programmbüro "Dritte Orte" in Nordrhein-Westfalen

Aus der Förderpraxis: Das Programm "Dritte Orte" in Nordrhein-Westfalen

2018 richtete Nordrhein-Westfalen das Förderprogramm „Dritte Orte – Häuser für Kultur und Begegnung im ländlichen Raum“ ein. Der Parlamentarische Staatssekretär Klaus Kaiser vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft erklärt die Notwendigkeit für ein solches Programm und beschreibt die Hoffnung, dass diese Orte so mutig wie verbindend agieren werden. Katrin Reuscher vom Büro startklar erläutert, wie sie Dritte Orte ganz praktisch bei der Umsetzung ihrer Pläne begleitet. Ähnlich wie das TRAFO-Programm fördert Nordrhein-Westfalen sowohl die Konzeption als auch die Realisierung von Projektideen.

Termine

Fünfte Kulturplattform der Lernenden Kulturregion Schwäbische Alb
 

Vier Jahre lang sind im TRAFO-Projekt Lernende Kulturregion Schwäbische Alb zukunftsweisende Kulturprojekte auf den Weg gebracht worden. Mitte nächsten Jahres endet das Projekt, und so steht bei der letzten Kulturplattform #5 am 25. September 2020 die Frage im Mittelpunkt, was künftig von der Lernenden Kulturregion bleiben wird. Die Akteure des Projektes berichten von ihren Erfahrungen in der Projektarbeit und vom Wandel ihrer Institutionen. Kulturpolitikerinnen diskutieren über Veränderungen in der Kulturförderung von Bund, Land und Region und erörtern, wie das Erfahrungswissen aus Modellprojekten nachhaltig Wirkung entfalten kann. → Mehr
 

Kultur- und Regionalentwicklung zusammendenken
 

TRAFO und die Thüringer Vernetzungsstelle LEADER laden zur gemeinsamen Veranstaltung „Kultur- und Regionalentwicklung zusammendenken“ am 8. September 2020 in Holzdorf bei Weimar ein. Gemeinsam mit Expertinnen aus Kultur, Politik, Regionalmanagement und Verwaltung diskutieren die Teilnehmer Themen, die die Kultur- und Regionalentwicklung ländlicher Räume gleichermaßen betreffen: „Begegnungsorte“, „Kultur-Ansprechpartnerinnen“, „Kleinprojekteförderung“ und „Freiräume für Jugendliche“.  Anmeldungen zur Veranstaltung sind bis zum 1. September 2020 über unser Anmeldeportal möglich. → Mehr