Bei der Neuausrichtung des Museums ging es nicht nur um neue Inhalte und Themen, sondern auch um die Frage, wie es sich organisatorisch und kulturpolitisch neu aufstellt. Kenneth Anders gibt Einblicke in die Organisationsentwicklung auf dem kulturpolitischen Parkett.
Der Transformationsprozess in Altranft stand unter keinen einfachen Vorzeichen. Wer mit einem Museum einen konzeptionellen und personellen Neuanfang wagt, muss mit sozialen und physischen Widerständen rechnen. In unserem Falle reichten diese von wütenden Leserbriefen an die lokale Presse und an die fördernden Institutionen über verstaubte Sammlungsobjekte auf dem Dachboden bis zu skeptischen Bewohnern unseres Museumsdorfes. Der kulturpolitische Druck war hoch, Fehler wurden kaum verziehen und jeder Schritt musste gerechtfertigt werden.
In einer solchen Phase ist es wichtig, viele Unterstützerinnen für den Wandel zu gewinnen. In Altranft haben wir das geschafft. Im Landratsamt, in der Stadt Bad Freienwalde, im Dorf Altranft, in anderen Orten des Oderbruchs und nicht zuletzt in Potsdam, Halle und Berlin fanden sich Menschen, die unsere Pläne für das Museum mit ihrem Engagement und ihrer Autorität schützten und dabei halfen, die anfänglichen Widerstände zu überwinden. Nur deshalb konnten wir in Altranft erfolgreich arbeiten. Die mit der Transformation verbundenen Auseinandersetzungen haben, so hat sich gezeigt, einen Eigenwert. Sie sorgen nicht nur dafür, die kulturell-künstlerische Arbeit gegen Ungeduld und Misstrauen abzusichern, sondern schaffen bei den Beteiligten selbst ein tieferes Verständnis. Sie lassen Arbeitsbeziehungen zwischen Menschen entstehen, die bis dahin nichts miteinander zu tun hatten.
Vertikale und horizontale Kommunikation
Dies gilt zum einen für die vertikalen Beziehungen zwischen den verschiedenen politischen Ebenen. Man kann das gut an der Zusammensetzung des Vorstands und des Programmbeirats des Museums sehen. Diese Gremien waren eigens zur Begleitung des Transformationsprozesses gegründet worden, in ihnen waren Ortsvorsteherinnen, Stadtverordnete und Mitarbeiter der Landkreisverwaltung ebenso wie zum Beispiel ein Vorstandsmitglied der regionalen Sparkasse oder eine Vertreterin des Brandenburgischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur vertreten. Diese Verankerung auf allen Ebenen hat dazu beigetragen, dass sich eine kenntnisreiche überregionale Sichtweise auf das Oderbruch Museum Altranft gebildet hat: eine notwendige Voraussetzung für dessen nachhaltige Entwicklung. Denn das Urteil, ob hier wirklich erfolgreich in einem klar bestimmten gesellschaftlichen Interesse an Kultur gearbeitet wird, fällt man nicht allein.
Zum anderen müssen Partnerschaften durch horizontale Kommunikation erarbeitet werden. Das Oderbruch Museum Altranft versteht sich als Kulturinstitution für das ganze Oderbruch. Diese Selbstzuschreibung funktioniert aber nur, wenn sie auch von den Menschen angenommen und bestätigt wird. In Altranft streben wir das in mindestens drei Feldern an: Erstens bauen wir mit wechselnden Jahresthemen Kooperationen mit bestimmten regionalen Akteuren auf, die sich nach Möglichkeit in Partnerschaften ausdrücken, zum Beispiel mit der regionalen Handwerkskammer, dem Gewässer- und Deichverband oder dem Bauernverband. Wir beziehen aber auch Künstlerinnen und Kulturproduzenten des Oderbruchs durch einen Kooperationsfonds gezielt in die Gestaltung unserer Jahresthemen ein. Zweitens haben wir im Netzwerk für Landschaftliche Bildung die Zusammenarbeit mit den Schulen der Region gesucht und den Kontakt zu Lehrerinnen und Schulleitern aufgebaut. Drittens zielt unser Netzwerk Kulturerbe Oderbruch darauf, Heimatstuben, Dörfer, Kirchen und private Akteure zu einer gemeinsamen landschaftlichen Erzählung zusammenzuführen, indem sie als Vertreter von Kulturerbe-Orten jeweils einen ganz bestimmten Beitrag zum Verständnis des Oderbruchs leisten.
Eine solche horizontale Kommunikation sollte für eine regionale Kultureinrichtung grundsätzlich stilbildend sein. Deshalb haben wir uns auch darum bemüht, in der Entwicklung der Sammlung eine verknüpfende, kooperative Rolle aufzubauen, etwa durch den Austausch von Sammlungsobjekten zwischen dem Oderbruch Museum und den kleineren Einrichtungen oder durch die gemeinsame Neuordnung und Neubewertung von Sammlungsgut auf der Basis eines alltäglichen Austauschs.
Die sichtbarsten Erfolge dieser Arbeit zeichnen sich gegenwärtig im Bereich „Kulturerbe Oderbruch“ ab. Fast alle Kommunen des Oderbruchs schließen sich derzeit zu einer kommunalen Arbeitsgemeinschaft mit einer eigenen Satzung zusammen, um unsere Arbeit zukünftig gemeinsam finanziell zu unterstützen. Eine solche Verbindlichkeit in der regionalen Kooperation wäre zu Beginn des Transformationsprozesses kaum vorstellbar gewesen.
Vom persönlichen Vertrauen zur klaren Struktur
Wie die Zukunft des Oderbruch Museums Altranft aussehen wird, ist derzeit Gegenstand kulturpolitischer Aushandlungsprozesse. Die geeignete Trägerschaft, die Ausstattung und der Stellenwert der aufgebauten Arbeitsstränge, die Dauer der nächsten Finanzierungsphase und die tatsächlich notwendigen Strukturen und Beschäftigungsverhältnisse – all das sind Fragen, die detailliert gestellt und sorgfältig beantwortet werden müssen. Welche Positionen müssen mit festen Mitarbeiterinnen besetzt werden, was lässt sich besser mit freien Honorarkräften erarbeiten? Wie gut kann sich der Trägerverein als ehrenamtlich geführte Körperschaft entwickeln und wo braucht es professionelles – also auch finanziertes – Management? Ein großer Teil ist dabei Organisationsentwicklung, also die Klärung und Ordnung der gewachsenen Verantwortungen und Zuständigkeiten in der neu entstehenden Institution.
Diese Arbeit ist langwierig, sie braucht Geduld und wiederum Vertrauen – aber im Ergebnis sollten die persönlichen Faktoren, die in der ersten Phase fast allein für den Erfolg des TRAFO-Projekts entscheidend waren, etwas in den Hintergrund treten können. Was erreicht, gelernt und letztlich professionalisiert wurde, muss sich in den Strukturen der zukünftigen Institution und in einem klaren Rollenverständnis für alle Beteiligten abbilden. Was als persönliche Kooperation verschiedenster Akteure begonnen hat, geht in eine systemische Ordnung über. Als Kulturinstitution für den ländlichen Raum.
Als Kulturinstitution für den ländlichen Raum stehen wir vor der Aufgabe, ein Zusammenspiel von sehr verschiedenen Tätigkeitsformen zu organisieren. Wir möchten professionelle und semiprofessionelle, freiwillige und ehrenamtliche, temporäre und kontinuierliche, partnerschaftliche und hierarchische Formen des Engagements für das Museum zusammenführen. Alle, die an dieser Werkstatt für Ländliche Kultur mitarbeiten, sollten etwas für sich lernen können, sich als Teil eines gemeinsamen Prozesses erfahren. Wenn das gelingt, werden wir auch in die nächsten Jahre Vertrauen setzen können.
Erschienen im August 2019.