Regionen

Von der Landschaft lernen
Interview mit Anne Hartmann

Das Oderbruch Museum Altranft orientiert sich bei seiner Arbeit mit jungen Menschen am Konzept der Landschaftlichen Bildung. Ziel dieser Vermittlungsarbeit ist es, Kindern und Jugendlichen zu zeigen, wie sie lokale Ressourcen erfahren und nutzen können. Die Themen kommen aus der Region und werden mit der Erfahrungswelt der Jugendlichen verknüpft. Wie diese Arbeit aussieht, berichtet Anne Hartmann im Interview.

Frau Hartmann, bei der Neuausrichtung des Oderbruch Museums Altranft wurde auch die museumspädagogische Arbeit verändert. Nach welchen Kriterien sind Sie hier vorgegangen?

Anne Hartmann: Wir haben uns an verschiedenen Punkten orientiert, die nicht klassisch der Museumspädagogik zugeordnet werden, sondern die versuchen, die regionale Entwicklung zu fördern. Unser methodischer Ansatz ist dabei die Landschaftliche Bildung: Wir holen uns Themen aus der Region, indem wir Gesprächspartner aus dem Oderbruch einbinden, zum Beispiel Landwirtinnen oder Handwerker. Was sie zu erzählen haben, das vertiefen wir mit den Teilnehmerinnen in unser Werkstatt, indem wir ihre Geschichten praktisch-kreativ bearbeiten und öffentlich zeigen: als Ausstellung, Theaterstück, Comic oder Hörstück. Dabei brauchen wir auch Unterstützung von Menschen, die diese Vermittlungstechniken beherrschen und unsere Projekte und Angebote an Schulen und in Altranft betreuen. „Werkstatt“ meint nicht nur die Räume, die wir für die verschiedenen Techniken am Museum eingerichtet haben, sondern auch die Art des Arbeitens. Wir setzen oft einen gewissen Rahmen, lassen aber Raum zum Probieren und Diskutieren. Wenn wir uns zum Beispiel als Ergebnis eine Fotoausstellung vornehmen, findet die Recherche dazu in Kleingruppen statt, die bei der Motivsuche eigenen Interessen folgen und Gesprächspartner mit einbinden.

Welche neuen Themen haben Sie unter dem Stichwort Landschaftliche Bildung aufgenommen?

Hartmann: Die Landschaftliche Bildung sucht immer die Verbindung zum Hier und Jetzt. Historische Entwicklungen oder Gegenstände sind also dann besonders interessant, wenn sie für unser Leben heute noch relevant sind. Die Themenwahl wird dadurch konkreter und lässt sich mit der Erfahrungswelt der Jugendlichen verknüpfen. Mobilität, Nachbarschaft, Gemüse im Garten oder Jobs in der Region sind einige der Themen.

Welche Angebote bieten Sie Schulen an?

Hartmann: Wir versuchen, das Thema Landschaftliche Bildung an den Schulen als wiederkehrende Aktionen im Curriculum zu verstetigen. Das kann als mehrwöchentliches Projekt im Unterricht an der Schule oder als kürzere Variante in Form eines Schulausflugs zu uns ins Museum in Altranft stattfinden. Dort beschäftigen sich die Schüler in dreistündigen Werkstätten zum Beispiel mit der Bestellung des Gemüsegartens, mit der Siedlungsgeschichte im Theaterspiel oder mit der Bausubstanz des Ortes. Wir geben dabei den Schülerinnen die Aufgabe, Informationen fürs Museum zu sammeln und aufzubereiten oder ein bestimmtes Thema vertieft zu betrachten. Die Werkstattleiter bringen die Technik mit. Sie sind selbst wichtiger Bestandteil der Projekte, weil sie aus der Region stammen und ihre Alltagserfahrungen einbringen. Und dann organisieren wir bei längeren Projekten auch weitere Gesprächspartnerinnen, die meist ehrenamtlich von ihren Tätigkeiten in Handwerk, im Gemüseanbau im Garten oder bei der freiwilligen Feuerwehr berichten.

Sie haben das Netzwerk Landschaftliche Bildung ins Leben gerufen. Wer ist hier Mitglied?

Hartmann: Das sind acht Grund- und weiterführende Schulen sowie ein Kindergarten. Mit ihnen arbeiten wir bereits seit 2010 in der Landschaftlichen Bildung zusammen. Sie haben sich vorgenommen, unsere Themen und Methoden bei sich im Unterricht zu etablieren. Gemeinsam konnten wir Laborprojekte umsetzen, aus denen wir nun langfristigere Angebote erarbeiten werden. Die Themen ergeben sich aus dem Austausch zwischen dem Museum, den Schulen und Partnern aus der Region, die bei den Projekten als Gesprächspartnerinnen oder als Werkstattleiter mitmachen.

Was sind besondere Herausforderungen für ein Museum im ländlichen Raum bei der Zusammenarbeit mit Schulen und mit externen Partnerinnen?

Hartmann: Im Austausch mit anderen Museen, Initiativen oder Menschen, die mit Schulen und Partnern aus anderen Bereichen zusammenarbeiten, erkennen wir, dass die Herausforderungen überall gleich sind: Alle haben einen eigenen Rhythmus, vielen fällt es schwer, sich auf andere Intervalle einzulassen. Das gilt für mich als Koordinatorin genauso wie für Lehrerinnen oder freiberufliche Akteure. Nimmt man sich aber Zeit für das Gespräch über die Umsetzung von Projekten, dann lernen die Beteiligten viel voneinander – es entsteht im besten Fall eine echte, hart erarbeitete Partnerschaft. Leider wissen die Vertreter von Schulen manchmal nicht, wie groß der Umfang der konzeptionellen und organisatorischen Arbeit für Projekte ist. Und leider stimmt auch oft das Verhältnis zwischen praktischer Arbeit mit den Jugendlichen und der organisatorischen Vor- und Nachbereitung nicht. Gleichzeitig merke ich, dass unser landschaftliches Bildungsanliegen, also unsere Themen und Methoden, gut aufgenommen werden. Es ist schön zu sehen, wie viele Menschen Lust haben, bei unseren Projekten ehrenamtlich oder als Honorarkraft mitzuwirken.