Regionen

Ein Museum vernetzt die Region
Interview mit Tobias Hartmann

Wie das Netzwerk Kulturerbe Oderbruch dafür sorgt, dass sich die Region als eine Kulturlandschaft versteht, was das für die Partner bedeutet, und warum es jetzt den Reiseführer „Schau ins Bruch“ gibt, das beschreibt Tobias Hartmann im Interview.

Wieso engagiert sich das Oderbruch Museum Altranft im Netzwerk Kulturerbe Oderbruch?

Tobias Hartmann: Unser Museum versteht sich als Einrichtung für Regionalentwicklung mit kulturellen Mitteln und möchte mit dem Netzwerk das eigene Wissen und den regionalen Bekanntheitsgrad des Kulturraums Oderbruch erhöhen. Knoten in diesem Netzwerk sind Heimatstuben und Dorfmuseen, Boden- und Baudenkmäler, Schöpfwerke und Windmühlen, Kirchen und Bauernhöfe. Sie alle können das kulturelle Erbe dieser Landschaft erlebbar machen. Mit der Ausweisung als Kulturerbe-Ort bekommen die Akteure eine höhere öffentliche Aufmerksamkeit. Sie präsentieren sich gemeinsam, denn nicht jeder Ort hat genügend Kraft, über die eigene Gemeinde hinaus auf sich aufmerksam zu machen. Unter der Marke Kulturerbe-Orte thematisieren wir die kulturelle Vielfalt der Landschaft und schaffen über Ausstellungen und Veranstaltungen öffentliche Aufmerksamkeit.

Und das Museum organisiert diese Ausstellungen und Veranstaltungen selbst?

Hartmann: Unser Museum ist die Schnittstelle. Zusammen mit den Kulturerbe-Orten überlegen wir: Wie können sie sich weiterentwickeln? Wo liegen Schwerpunkte und Besonderheiten? Welche kulturlandschaftlichen Geschichten können an welchen Orten am besten erzählt werden? In einem jährlich stattfindenden Netzwerktreffen – dem Kaffeegespräch – kommen alle Orte zusammen, tauschen sich aus und planen gemeinsame Projekte, die durch einen Kooperationsfonds, den wir im Oderbruch Museum Altranft ins Leben gerufen haben, finanziert werden können. Oftmals sind wir Moderatoren und eröffnen Möglichkeiten, wie die Orte untereinander ins Gespräch kommen und kooperieren können. In diesem Jahr planen wir zum Beispiel eine Busreise, die entlang eines historischen Reiseführers heutige Kulturerbe-Orte einbezieht. Im nächsten Jahr wollen wir eine Broschüre für Radtouren herausgeben, in der sich vier Runddörfer, ehemalige Fischerdörfer, vorstellen. Einige Orte nutzen das Netzwerk auch, um sich mit unserer Hilfe weiterzuentwickeln: Es sind daraus Wanderausstellungen, Dorfrundgänge und Schulkooperationen vor Ort entstanden.

Welchen Gewinn hat das Museum von dieser Zusammenarbeit mit den Heimatstuben?

Hartmann: Der Nutzen ist vielfältig. Zunächst präsentiert das Oderbruch Museum Altranft die Orte in einer Miniaturausstellung im Museum – dem Schaukasten Oderbruch. Zudem können wir gezielt einladen, das Oderbruch zu bereisen. Mit dem Reiseführer „Schau ins Bruch“, der die Kulturerbe-Orte vorstellt, können Besucherinnen ihren individuellen Ausflug planen. In den Randnotizen der Broschüre finden sich weitere kulturelle und kulinarische Empfehlungen.

Welche Herausforderungen gibt es, wenn ein Museum solch einen Prozess moderiert und mit anderen Akteuren der Region zusammenarbeitet?

Hartmann: Ein Netzwerk von Akteuren funktioniert nur, wenn es ständig mit Leben gefüllt wird. Bei einer Kulturlandschaft mit einer Größe von fast 1.000 km2 ist es nicht einfach, alle gleichermaßen einzubeziehen, um mit den Orten kontinuierlich zu arbeiten.

Und warum ist das Netzwerk so wertvoll für die Kommunen?

Hartmann: Das Netzwerk stiftet eine interkommunale Zusammenarbeit, weil es die Kommunen in einen gemeinsamen Handlungsraum zusammenführt. Und es unterstützt die Gemeinden in ihrer Kulturarbeit. Auf den jährlich stattfindenden Landschaftstagen ist diese wachsende kulturelle Zusammenarbeit gut zu erleben. Mit dem Reiseführer „Schau ins Bruch“ haben wir außerdem gemeinsam eine kulturtouristische Dimension erarbeiten können, die allen in der Landschaft zugutekommt. Touristinnen werden nicht nur die Kulturerbe-Orte vorgestellt, sondern auch weitere touristische Ziele vorgeschlagen. Kulturtouristische Routen sind für Besucher attraktiv, weil sie nicht an den Gemeindegrenzen aufhören, sondern sich mit dem ganzen Oderbruch beschäftigen. Insgesamt gehören 19 Kommunen zum Oderbruch. 16 von ihnen unterstützen unser Netzwerk bereits mit einer Pro-Kopf-Umlage von mindestens zehn Cent pro Einwohnerin, woraus unter anderem eine gemeinsame Bewerbung um das Europäische Kulturerbe-Siegel finanziert wird.