Regionen

inter!m – Kulturhandlungen: Zeit für Experimente
Interview mit Ulrike Böhme und Rainer Markus Walter

Das inter!m – Festival bringt Menschen aus der Region mit Künstlerinnen aller Sparten zusammen. Um in möglichst weiten Teilen der Schwäbischen Alb wirken zu können, wandert das Festival von Ort zu Ort. Was das Besondere an einem Festival zeitgenössischer Kunst auf dem Land ist, davon berichten die bisherigen Leiter des interim!-Festivals Ulrike Böhme und Rainer Markus Walter.

Wie bringt man Kunst aufs Land, ohne dass das Land nur Kulisse ist?
Rainer Markus Walter: „Kunst aufs Land zu bringen“, suggeriert, dass sie dort gar nicht hingehört, was natürlich Quatsch ist. Es geht vor allem darum, das Land ernst zu nehmen und es als Plattform für die Kunst zu begreifen…
Ulrike Böhme: …und darum, im Kontext zu arbeiten: Die Themen und Ideen für ein Festival müssen von hier kommen und mit den Menschen zu tun haben. Als wir 2013 das inter!m-Festival auf einem alten Truppenübungsplatz veranstaltet haben, war das Thema Verwandlung. Als wir 2017 auf dem Heidegraben waren, lautete das Motto Suche, womit wir darauf anspielten, dass auf den Wiesen und in den Wäldern des Heidegrabens Keltensiedlungen vermutet werden, bisher aber erfolglos nach ihnen gesucht wird.

Was stand beim Festival 2017 im Vordergrund?
Böhme: Neben Arbeiten der Künstler, die das Motto der Suche aufgenommen hatten, stand ganz klar das Experiment im Vordergrund des Festivals. Wir wollten, dass sich die einzelnen Sparten – also Kunst, Theater oder Musik – aufeinander zubewegen. Das war unsere Forderung an die Künstlerinnen. Uns waren der Prozess und das Spielerische wichtiger als eine fertige künstlerische Setzung.

Und beim Festival 2019?
Walter: Da wir bei dieser Ausgabe auf einen außergewöhnlichen Ort verzichten mussten, war es mir umso wichtiger, den Kern von inter!m, nämlich das Einbeziehen der Menschen aus der Region, in den Mittelpunkt zu rücken. Tatsächlich hat das hervorragend funktioniert. Wir konnten ungewöhnliche Kunstprojekte realisieren und in der Musik gleich drei umfangreiche Projektformationen auf die Bühne bringen.

Wie beziehen Sie die Bevölkerung vor Ort in die Festivalarbeit ein?
Böhme: Nach meinen Erfahrungen mit den Festivals 2013 und 2017 bin ich der Meinung, dass das keine leichte Aufgabe ist. Ich weiß, wie man im Dorf tickt. Da gibt es die Älteren, die den Standpunkt vertreten, dass es nicht mehr als die Blasmusik und den Schützenverein brauche. Die jungen Leute sind zwar neugierig, haben aber kaum Zeit. Wir sind mit Themen und Ideen auf die Leute zugegangen.
Walter: Tatsächlich kann man die Bevölkerung nur einbeziehen, wenn man das Festival sehr breit auffächert. 2019 haben wir versucht, nahezu alle Dienstleistungen, Angebote und auch Programmpunkte mit den Menschen vor Ort zu besprechen und umzusetzen. Die Vereine sind hier der Schlüssel, aber auch Institutionen wie Jugendhäuser, Musikschulen und Stadtjugendringe.

Wie arbeitet man mit der Bevölkerung zusammen, auch wenn man nicht immer vor Ort ist?
Böhme: Ich glaube nicht, dass es funktionieren kann, wenn man nicht vor Ort ist. Das heißt: Sie müssen dort leben, wo sie Kunst machen wollen.
Walter: Auf jeden Fall braucht es vor Ort Ansprechpartnerinnen, auf die man sich zu 100 Prozent verlassen kann. Was einen aber nicht davon befreit, möglichst oft selbst vor Ort zu sein. Wenn das nicht der Fall ist, verliert man schnell an Glaubwürdigkeit.