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Kultur verbindet
Interview mit Erik Homann

Kulturort und Koordinierungsstelle: Seesens Bürgermeister Erik Homann erzählt im Interview über die Chancen einer Umgestaltung, den Mut, Neues auszuprobieren und die gesellschaftliche Relevanz von Kultur.

Herr Homann, im Jahr 2015 haben Sie sich dazu entschlossen, in die Transformation des Jacobson-Hauses zu investieren. Warum bestand Veränderungsbedarf?

Erik Homann: Die bisherige Nutzung des damaligen Bürgerhauses war zwar schon gut, aber noch nicht optimal. Vereine und Kulturschaffende nutzten die Räumlichkeiten eher in einer Koexistenz – ein kulturelles Miteinander fehlte bis dato. Umso erfreuter waren wir, dass unser Haus Teil des TRAFO-Programms wurde und dadurch die Möglichkeit einer eigenen Koordinierungsstelle für Kultur bekommen sollte. Damit wurde uns die Chance gegeben, das Haus umzugestalten, sowohl optisch als auch inhaltlich. Aus dem ehemaligen Bürgerhaus wurde das Jacobson-Haus, eine Begegnungsstätte mit einer großen kulturellen Vielfalt, eben ein Haus für alle.

Das Jacobson-Haus beherbergt von der Jugendfreizeitstätte über die Blaskapelle bis zur Stadtbücherei viele verschiedene Akteure. Welche neuen Notwendigkeiten und Potenziale sehen Sie für ein Kultur- und Bildungshaus im Zentrum Ihrer Stadt?

Homann: Im Rahmen des TRAFO-Programms haben wir erarbeitet, in welche Richtung sich unser Jacobson-Haus entwickeln kann. Es braucht vor allem jemanden, der sich um eine solche Entwicklung kümmert. Deshalb haben wir das Kulturbüro eingerichtet. Eine solche Koordinierungsstelle ist unabdingbar, sie ist der Dreh- und Angelpunkt für Veranstaltungen und die Vernetzung zwischen den einzelnen Kulturschaffenden. Darüber hinaus sind wir mit der Einrichtung eines Coworking Raums einen neuen Weg gegangen. Auch dafür gab uns TRAFO den Anstoß und den Mut, hier im ländlichen Raum Neues zu probieren. Der Coworking Raum ist übrigens sehr erfolgreich: Nach den ersten Workshops konnten wir bereits fünf Verträge mit potenziellen Start-up-Unternehmen schließen. Das zeigt uns, dass wir als Stadt gerade auch im ländlichen Raum mit der Zeit gehen sollten. Dazu zählt für mich auch der kommende Umbau unserer Stadtbücherei zu einer modernen Open Library mit einer rund um die Uhr geöffneten Buchrückgabe.

Sie räumen der Kultur in Seesen eine hohe Priorität ein. Wie vertreten Sie gegenüber anderen Interessen den Einsatz von Ressourcen für die Kultur?

Homann: Mein Argument ist immer: Kultur ist ein wesentliches Element, Menschen miteinander zu verbinden, sei es nun über Musik, Lesungen oder Ausstellungen. Wir haben ein großes kulturelles Erbe: Wilhelm Busch verlebte in Mechtshausen seine letzten Tage, der berühmte Klavierbauer Steinway, ehemals Steinweg, kommt aus Seesen und fertigte hier sein erstes Piano. Und nicht zuletzt der jüdische Reformator Israel Jacobson, der in Seesen sein Alumnat baute. Seinen Kerngedanken möchten wir adaptieren. In diesem Sinne wollen wir das Jacobson-Haus zu einem offenen, vielfältigen und bunten Schauplatz der Kultur machen.

Wie kann eine Stadt ihre Kulturakteure auch jenseits von finanziellen Mitteln unterstützen, und was würden Sie anderen Kommunen empfehlen?

Homann: Es ist wichtig, kulturellen Akteuren einen Raum zu geben – sei es ein Ort für Auftritte oder ein offenes Ohr. In Seesen haben wir nun beides: mit dem Jacobson-Haus einen offenen Kulturort und mit der Koordinierungsstelle für Kultur einen Ansprechpartner für die Kulturakteure in der Stadt. Kommunen können Vermittler sein und Kulturschaffenden helfen, ein Netzwerk aufzubauen. Daraus entstehen wiederum neue Möglichkeiten, die nicht unbedingt finanzieller Unterstützung bedürfen. Ich halte es für existenziell wichtig, Kulturakteuren gegenüber aufgeschlossen zu sein, denn Kultur bringt unterschiedliche Menschen zusammen und ist ein elementarer Baustein einer funktionierenden Gesellschaft.