Regionen

Ohne die Politik geht es nicht
Interview mit B. Schweigel und H. Dietzmann

Als vier Museen im Oberharz vor zwei Jahren begannen, ihre Zukunft gemeinsam zu gestalten, war auch die Politik von Anfang an mit dabei. Mit Erfolg? Britta Schweigel, Bürgermeisterin in Clausthal-Zellerfeld, und Harald Dietzmann, Bürgermeister in Bad Grund, ziehen ein erstes Fazit. Schon jetzt steht für sie fest: Schicht im Schacht ist noch lange nicht.

Frau Schweigel und Herr Dietzmann, was ist die größte Herausforderung für die Kulturinstitutionen in Ihren Orten?
Britta Schweigel: Das ist schnell gesagt: mit dem Mangel umzugehen. Die desolate finanzielle Situation, in der sich Clausthal-Zellerfeld befindet, ist eine Bedrohung für unsere kulturpolitische Arbeit. Moderne, ansprechende Einrichtungen, die Publikum anziehen sollen, wollen ausreichend finanziert werden. Das gilt auch für das Oberharzer Bergwerksmuseums in Clausthal-Zellerfeld.
Harald Dietzmann: Das ist bei uns in Bad Grund leider genauso. Es sind die vielfältigen Traditionen und Bräuche, die die Menschen untereinander und mit ihrer Heimat verbinden. Der ländliche Raum ist in dieser Hinsicht eine wahre kulturelle Schatzkiste. Nur, wenn ich sie öffnen und wirken lassen will, geht das nicht ohne auskömmliche Finanzen und gemeinschaftliches Engagement. Am Engagement fehlt es nicht, das zeigen die zahlreichen Vereine, die sich der kulturellen Arbeit widmen.

Seit über zwei Jahren arbeiten vier Museen zusammen, die in vier verschiedenen Kommunen liegen. Sie waren als Vertreter der beteiligten Gemeinden von Anfang an dabei. Wie sieht die Zusammenarbeit aus?
Schweigel: Wir nehmen gemeinsam an Workshops und Besprechungen teil. So sind wir gut vernetzt und können uns zeitgleich abstimmen. Der kollegiale Umgang zwischen uns erstreckt sich selbstverständlich auch auf die Mitarbeiterinnen der Museen und die Mitglieder der Vereine. Wie bewerten Sie den bisherigen Beteiligungsprozess? Dietzmann: Er hat uns die Möglichkeit gegeben, über den Tellerrand zu schauen. Alle Beteiligten konnten die Ideen der Museen, die von gemeinsamen Interessen getragenen werden, aufeinander abstimmen. Ich hoffe, dass dieses Vorgehen nachhaltig sein wird. Aus Sicht eines eher kleinen Museums wie das Bergwerksmuseum Schachtanlage Knesebeck in Bad Grund hat die Bedeutung innerhalb der Stiftung Welterbe deutlich hinzugewonnen. Im Verbund ist eben die Strahlkraft jedes einzelnen Museums größer als wenn eines allein steht.
Schweigel: Als eine Erkenntnis des Prozesses stellen wir fest, dass die frühere Konkurrenz zwischen den Museen unnötig und sogar kontraproduktiv war. Wir ziehen ein sehr positives Fazit: Für die einzelnen Häuser wurden Alleinstellungsmerkmale erarbeitet und gleichzeitig eine gemeinsame Identität geschaffen.

Wie haben sich Ihre Museen entwickelt? Sind sie heute besser auf die Zukunft vorbereitet?
Dietzmann: Positiv. Die externe fachliche Begutachtung und die von Sympathie geprägte und immer objektive Begleitung hat ein neues Bild von der Anlage hervorgebracht. Das war ein wichtiger Prozess. Die Masterpläne und die Vorhaben an der Schachtanlage Knesebeck werden viel dazu beitragen, unsere Tradition bald in moderner Weise präsentieren zu können. Mit dem Museumskonzept und dem Netzwerk sind große Schritte gemacht worden.
Schweigel: Durch das TRAFO-Projekt haben wir einen genaueren Überblick über die Stärken und Schwächen, über die Potenziale sowie über mögliche Zielgruppen unserer Museen gewonnen. Für die Ausrichtung unserer Einrichtungen sind diese Kenntnisse unabdingbar. Sie sind Grundlage für zukünftige Ziele und Projekte. Wenn sich die Museen auf ihr Alleinstellungsmerkmal konzentrieren, schärfen sie ihr Profil. Die selbstverständliche Zusammenarbeit mit unseren TRAFO-Partnern erhöht zudem die Effizienz der Arbeit. Deshalb kann ich die Frage nach einer besseren Vorbereitung auf die Zukunft mit einem klaren „Ja!“ beantworten.

Was kann nach Ihren Erfahrungen die lokale Politik dazu beitragen, dass solche Transformationsprozesse gelingen?
Schweigel: Lokalpolitik sollte kulturpolitisch überregional entscheiden. Dazu gehört sowohl eine kritische Auseinandersetzung mit bisherigen Prioritäten als auch die Tatsache, dass sich Verwaltungen verändern müssen, um den heutigen Anforderungen im kulturpolitischen Bereich gerecht zu werden. Kulturpolitik passt sachlich und örtlich nur sehr begrenzt in bestehende Zuständigkeitsraster. Nehmen Sie das Beispiel Plakatierung: Einige Nachbarkommunen verweigern die Erlaubnis, Kulturveranstaltungen anderer Kommunen zu bewerben. Hier müssen wir uns besser absprechen und offener werden.
Dietzmann: Interkommunale Zusammenarbeit ist zwar schon lange kein Fremdwort mehr, sie erstreckt sich bislang aber eher auf die klassischen Verwaltungsaufgaben. Dabei kann sie im kulturellen Sektor genauso sinnvoll sein. Weil Akteure in fairen Kooperationen in der Regel nicht schwächer, sondern stärker werden.

Was können die kommunalen Verwaltungen besser machen, um Kultur gut zu unterstützen?
Schweigel: Diese Frage ist schwer zu beantworten, weil wir als relativ kleine Stadt weder ein auskömmliches Budget noch traditionell entsprechende Expertise in der Verwaltung vorweisen können. So bleibt das kommunale Kulturengagement oft eine Sache des persönlichen Engagements einzelner.
Dietzmann: Es wird daher sicher von Vorteil sein, dass wir unter dem Dach der Stiftung Welterbe die begrenzten öffentlichen Mittel zielgerichteter einsetzen können.

Was haben Sie in dem Projekt gelernt?
Schweigel: Zunächst haben wir viele Akteure aus unseren Nachbarkommunen kennengelernt. In der Zusammenarbeit erhielten wir Kenntnis von ähnlichen Problemlagen und verschiedenen Lösungsansätzen. Interkommunale Zusammenarbeit braucht aber nach meiner Einschätzung auf jeden Fall eine Moderation, damit am Ende des Tages alle mit dem Prozess und den Ergebnissen zufrieden sein können.

Was empfehlen Sie anderen Bürgermeisterinnen, die sich mit der Idee tragen, über Gemeindegrenzen hinweg zu kooperieren?
Schweigel: Offen aufeinander zuzugehen, auf Augenhöhe zu agieren und gemeinsam an einer Sache mitzuwirken weiten die Perspektive und bereichern das Denken. Dabei sollte man den eigenen wie den personellen Aufwand nicht unterschätzen, aber ihn dennoch riskieren. Der Nutzen für die Stadt rechtfertigt den Aufwand auf jeden Fall.
Dietzmann: In der Tat müssen sich alle Beteiligten auf eine arbeitsintensive Vorbereitung einstellen, bevor dann zum Ende hin auch Projekte umgesetzt werden können. Nicht jeder hat für den Aufwand anfänglich Verständnis, darin liegt sicherlich Konfliktpotenzial. Wichtig erscheint es mir, vor Ort diejenigen einzubinden und mitzunehmen, die kulturelle Aufgabenträger sind oder sich kulturpolitisch in ihrer Kommune engagieren wollen.