Regionen

An der Schnittstelle zwischen Kultur, Politik und Verwaltung
Interview mit Judith Bildhauer

Seit vier Jahren treibt das Projekt Lernende Kulturregion Schwäbische Alb zusammen mit der Kultur, Verwaltung und Politik die Weiterentwicklung des Kulturangebots auf der Schwäbischen Alb voran. Über Förderbedarfe des ländlichen Raums und die Rolle von regionalen Kulturmanagern berichtet Judith Bildhauer, bis Ende 2019 Leiterin des Projekts.

Frau Bildhauer, die Lernende Kulturregion gibt es nun seit vier Jahren. Was ist das Besondere an diesem Projekt?
Judith Bildhauer: Unser Projekt arbeitet an der Schnittstelle zwischen Kultur, Verwaltung und Politik. Wir haben tagtäglich erlebt, wie wichtig diese Schnittstelle für die Kulturakteure ist. Nehmen wir als ein Beispiel LEADER, ein Maßnahmenprogramm der Europäischen Union, mit dem Projekte im ländlichen Raum gefördert werden. Dieser große Fördertopf steht auch Kulturakteuren offen. Aber die wenigsten wissen das, oder sie trauen sich an die komplizierte Antragstellung nicht heran. Dabei gibt es für jede LEADER-Region einen sogenannten LEADER-Regionalmanager, den man ansprechen und um Rat fragen könnte. Das Problem: Die Kulturakteure und LEADER-Regionalmanager sind nicht vernetzt, einige Regionalmanager kennen auch die spezifischen Bedarfe im Kulturbereich nicht so gut. Für sie war das Projekt Lernende Kulturregion Ansprechpartnerin und so etwas wie eine „Partnervermittlungsbörse“ in den Kulturbereich hinein. Und wir haben Übersetzungsarbeit zwischen den Bedarfen der Akteure vor Ort und den Förderbedingungen geleistet. Dadurch konnten wir den Verwaltungs- und Prüfaufwand verringern. Mit unserer künstlerischen Expertise schließlich haben wir dabei geholfen, die Projekte inhaltlich weiterzuentwickeln.

Aus den Erfahrungen der letzten vier Jahre haben Sie einige Empfehlung abgeleitet. Welche sind das?
Bildhauer: Wir empfehlen zum Beispiel eine Schnittstelle zwischen Kultur, Politik und Verwaltung in den Regionen einzuführen, um professionelle Unterstützungs-, Beratungs und Vernetzungsstrukturen aufzubauen. Das war auch immer wieder die Antwort, wenn wir Kulturakteure gefragt haben, welche Unterstützung sie sich wünschen: eine Ansprechpartnerin in den Verwaltungen, die die ehrenamtlichen Akteure, die Vereine und freien Einrichtungen berät und die Herausforderungen in ländlichen Räumen kennt, die Hilfestellung bei der Beantragung von Fördermitteln bieten kann und Akteure zusammenbringt, die sich austauschen oder zusammenarbeiten sollten. Wir empfehlen daher, in jedem Landkreis eine Regionalmanagerin Kultur zu installieren.

Können Sie das Jobprofil eines solchen Regionalmanagers Kultur näher beschreiben?
Bildhauer: Er bzw. sie soll nicht nur verwalten, sondern auch gestalten, Impulse setzen und die Kultur im Dialog mit den Akteuren in der Region entwickeln. Dazu gehört auch, dass er gezielt Fördermittel für die Region einwirbt. Regionalmanagerinnen für die Kultur sollten nicht zentral in einem Ministerium oder dezentral in jeder kleinen Gemeinde eingesetzt werden. Ihr Betätigungsfeld ist der Landkreis: Dort haben sie die gesamte Region im Blick und sind dennoch nah genug an den Akteuren vor Ort. Sie haben die Kompetenz, zwischen den Gemeinden Austausch- und Kooperationsprozesse zu initiieren und zu begleiten. Sie sollten Kulturschaffende und verschiedene Akteure aus anderen Zusammenhängen wie Bildung, Soziales und Tourismus miteinander vernetzen. Dafür schlagen wir vor, einmal im Jahr in jedem Landkreis eine regionale Kulturkonferenz zu organisieren. Ein solches Format haben wir im Rahmen der Lernenden Kulturregion bereits mit der sogenannten Kulturplattform erprobt. Diese Veranstaltung bietet die Gelegenheit, dass sich Menschen aus unterschiedlichen Zusammenhängen kennenlernen und austauschen. Zweimal im Jahr treffen sich Akteure aus der Region, um über die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die regionale Kultur zu diskutieren. Und auch dort kommt LEADER wieder ins Spiel.

Warum sehen Sie in diesem EU-Förderinstrument so viel Potenzial?
Bildhauer: Die finanzielle Ausstattung von LEADER ist enorm, und gerade für kleinere und finanzschwache Kommunen kann dieses Instrument daher wertvoll sein. Zudem sind die Handlungsspielräume bei LEADER vielfältig, das heißt: die Offenheit für unterschiedliche Themen ist groß. Lokale Akteure bestimmen die Inhalte, die gefördert werden sollen, und sind in die Auswahl der Projekte in ihrer Region eingebunden. Für die ländliche Kulturarbeit ist LEADER eine Chance: ein möglicher Fördertopf, aber auch eine Plattform, um gemeinsam mit anderen die regionale Entwicklung zu gestalten.

Was heißt das konkret: Wie kann man die Kunst und Kulturförderung in LEADER weiterentwickeln?
Bildhauer: Besonders wichtig finde ich, dass man Voraussetzungen dafür schafft, Prozesse zu fördern. Gegenüber Einzelveranstaltungen sehe ich bei künstlerisch offenen Prozessen die Chance, die Menschen und Themen der Region einzubinden und ihnen nicht ein fertiges Ergebnis vorzusetzen. Darin liegt aber ein Problem in LEADER: Denn LEADER fördert bislang viel eher ein abgeschlossenes Projekt als eines, das sich prozesshaft entwickelt und sich im Projektverlauf noch ändern kann. Daher haben wir in der Lernenden Kulturregion Vorschläge entwickelt und erprobt, wie man Kunst- und Kulturförderung in LEADER organisieren kann, beispielsweise durch Einbindung einer Expertenkommission,
die Anträge bewertet und die Projektentwicklung begleitet.

Das klingt nach ziemlich viel Aufwand.
Bildhauer: Da kommen wieder die Regionalmanager ins Spiel. Sie unterstützen bei der konzeptionellen Entwicklung ebenso wie bei der Beantragung und Abrechnung des künstlerischen Projekts. Das ist auch notwendig, da es in LEADER leider auch Hürden gibt, die man zusammen mit einer Regionalmanagerin besser überwinden kann. Vor allem für kleinere Kultureinrichtungen ist es sehr hinderlich, dass die LEADER-Förderung komplett vorfinanziert werden muss. Auch die Kofinanzierungsmöglichkeiten sind eingeschränkt, was beispielsweise Ehrenamtliche trifft, die ihre Eigenleistungen nicht geltend machen können. Aber es gibt genügend Spielraum, um die Bewilligungs-, Abrechnungs- und Prüfverfahren zu vereinfachen oder die Finanzierung anzupassen. In Baden-Württemberg stehen wir in sehr gutem Kontakt zu dem zuständigen Ministerium und versuchen immer wieder, die Grenzen von LEADER auszuloten und zu erweitern.

Ihre Ideen sind schon recht konkret. Was sind die nächsten Schritte?
Bildhauer: Gemeinsam mit dem TRAFO-Programmbüro und dem Kunstministerium haben wir im Herbst 2019 ein Pilotprozess zur Einführung der Regionalmanagerin Kultur in sechs Landkreisen begonnen. Für eine Teilnahme konnten sich alle interessierten Landkreise und kommunalen Verbünde aus Baden-Württemberg bewerben. Da einige Landkreise ein starkes Kulturamt haben, andere nicht, soll in jedem Landkreis individuell entschieden werden, ob bestehende Stellen weiterentwickelt oder neue aufgebaut werden sollen. Für die Einführung und Etablierung der Regionalmanager sehen wir einen Zeitraum bis 2023 vor. Hier haben wir auch das Land mit im Boot, das diesen Prozess nach Ende der TRAFO-Förderung weiter unterstützen und fördern will.