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Aufbruch in die Region
Interview mit Anne Grabosch, Andrea Ortstadt und Katja Schmirler-Wortmann

Im Projekt „TraVogelsberg – Eine Region bricht auf“ haben sich die Verwaltung des Vogelbergkreises, das soziokulturelle Zentrum Kreuz e.V. aus Fulda und die Musikschule Lauterbach zusammengeschlossen, um gemeinsam das regionale Kulturangebot zu beleben. Mit ihrem „Büro für kulturelle Einmischung“ bereisen sie die Region und unterstützen lokale Akteure und kulturelle Projekte vor Ort. Außerdem möchte sich die Musikschule für Begegnung und für neue Formate öffnen, das Kulturzentrum stärker in und mit der Region arbeiten und der Landkreis Kompetenzen und Erfahrungen in der Unterstützung von Kulturakteuren gewinnen. Wir haben Andrea Ortstadt, Projektleitung von „TraVogelsberg“, Katja Schmirler-Wortmann vom Kulturzentrum Kreuz und die Prozessbegleiterin Anne Grabosch gefragt: Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Land, Verwaltung und Kulturzentrum, Kreismitarbeiterinnen und Musiklehrern?

Frau Ortstadt, bei Ihnen liegt die Projektleitung von „TraVogelsberg – Eine Region bricht auf“, daher zunächst an Sie die Frage: Wie schaffen Sie es zusammen mit Ihren beiden unterschiedlichen Partnern, dem Kulturzentrum Kreuz in Fulda und der Musikschule Lauterbach, ein gemeinsames Verständnis vom Projekt und seinen Zielen zu entwickeln?
Andrea Ortstadt: Die große Herausforderung ist sicher erst einmal die, zu merken und dann anzuerkennen, dass man überhaupt ein unterschiedliches Verständnis hat. Das war uns am Anfang nicht unbedingt immer klar. Einer redet von bestimmten Dingen und die anderen haben dazu ganz unterschiedliche Bilder im Sinn. Dazu gehört sich zu trauen, Fragen zu stellen: „Das worüber ihr gerade redet, sagt mir bisher noch nichts. Wie meint ihr das genau?“ Das war die Basis, um sich auf das große gemeinsame Ziel zu verständigen: die vorhandenen Kulturangebote in der Region sichtbarer zu machen, neue Formate mit Akteuren vor Ort auszuprobieren und vielleicht zu etablieren.

Frau Schmirler-Wortmann, Sie leiten das Kulturzentrum Kreuz e.V. Was war und ist Ihre Motivation, über die Stadtgrenzen hinaus in die Region Vogelsberg zu gehen?
Katja Schmirler-Wortmann: Der Grund, in den Landkreis aufzubrechen, ist unser Wunsch, neugierig zu bleiben. Wir wollen uns neuen gesellschaftlichen Entwicklungen stellen. Nur so bleibt man als Kulturinstitution zukunftsfähig. Auch wenn wir in Fulda gut vernetzt sind, sind wir doch ein etabliertes Zentrum, das relativ feste Strukturen hat. Man ist schnell auf eingefahrenen Wegen unterwegs. Es fällt leichter, solche festen Strukturen aufzubrechen, wenn man sich Kooperationspartnerinnen sucht.

Warum braucht es bei Ihrem Aufbruch in die Region den Landkreis und die Musikschule als Partner?
Schmirler-Wortmann: Wir brauchen die Verwaltung, um das Projekt auch in politischen Zusammenhängen bekannt zu machen. Mit der Musikschule erproben wir neue Formate, die sich im spannenden Feld zwischen Kulturveranstaltung und kultureller Bildung bewegen.

Könnten Sie Beispiele nennen?
Schmirler-Wortmann: Zum einen wollen wir uns im nächsten Jahr mit verschiedenen digitalen und analogen Beratungsangeboten an Kulturakteure in der Region wenden, um kleineren Initiativen die Umsetzung ihrer Ideen zu erleichtern. Ein weiteres Format wird schon in naher Zukunft ein Workshopangebot für Jugendliche sein, die dort aktiv lernen können, wie professionelle Technik bei kulturellen Veranstaltungen richtig eingesetzt wird, damit sie auch ihre eigenen Formate rundum betreuen können.

Und was ist für die Verwaltung der spannende Punkt an der Zusammenarbeit?
Ortstadt: In der Kulturförderung hatten wir im Kreis bisher nur einen sehr kleinen Stellenanteil. Die aktuellen Strukturen wurden vor 1,5 Jahren aufgebaut. Wir haben hier also wenig Expertise. Wir können von unseren beiden Partnern enorm viel lernen. Wir bringen unsere Kompetenz ein, also Erfahrungen in der Projektverwaltung und unsere Kontakte in den Landkreis. Dafür schauen wir zu, wie Kulturarbeit geht. Spannend ist zum Beispiel die Entwicklung von einer ersten Idee hin zu einem tollen Veranstaltungs- und Projektkonzept, oder die Erprobung digitaler Formate. Da profitieren wir besonders vom technischen Know-How unserer Partner.

Was ist das Neue für Ihre Verwaltung an dieser Art der kooperativen Arbeit? Welche Chancen liegen darin?
Ortstadt: In anderen Bereichen gehen wir bereits sehr viele Kooperationen ein, zum Beispiel beim Standortmarketing oder der Regionalentwicklung. Diese Art der Zusammenarbeit mit Partnern außerhalb der Verwaltung ist für uns also nicht neu. Neu ist die Zusammenarbeit mit Kulturinstitutionen. Besonders sind auch die Dauer und die Intensität der Zusammenarbeit. So erfahren wir, was Kulturinstitutionen umtreibt oder was die Bedarfe von Kulturakteuren sind. Damit verbinden wir die Hoffnung, dass wir mit unserer Arbeit nicht an den Menschen vorbei planen.

Frau Schmirler-Wortmann, wo sind Sie bisher an Grenzen in der Zusammenarbeit gestoßen?
Schmirler-Wortmann: Ich würde sagen, dass wir zum Glück in der Zusammenarbeit bisher noch an keine Grenze gestoßen sind, die wir nicht überwunden haben. Schwierig war sicherlich am Anfang, die Rollen zu finden, die jeder Partner, aber dann vor allem auch die Menschen in den Projekten besetzen und ausfüllen müssen. Die Herausforderung besteht aber auch darin, eine gemeinsame Sprache zu finden. In der Verwaltung und auch bei unserem anderen Partner, der Musikschule, die im Feld der kulturellen Bildung unterwegs ist, spricht man anders als bei uns in der Soziokultur. Wir fangen jetzt aber an, eine gemeinsame Sprache zu sprechen.

Frau Grabosch, da kommen Sie als Prozessbegleiterin des Projektes ins Spiel: Wie finden nach Ihrer Erfahrung Partner in einer solchen Kooperation Ihren Platz? Wie gelingt eine Zusammenarbeit, in der sich die Menschen nicht überfordert fühlen?
Anne Grabosch: Die Partner hatten ein Jahr Zeit für die Konzeption der Zusammenarbeit, für das gegenseitige Beschnuppern, für das Kennenlernen. So viel Zeit zu haben, ist toll und war glaube ich ein wichtiger Faktor für den bisherigen Erfolg. Da treffen schließlich verschiedene Menschen und Charaktere, Potenziale und Arbeitsweisen aufeinander, die dann auch noch in einem Projekt zusammenarbeiten, das draußen als gemeinsames Projekt wahrgenommen werden soll. Das ist ein komplexer Prozess...

... für den es einen Begleiter braucht?
Grabosch: Ich glaube, es geht um eine Instanz, die in der Lage ist, immer mal wieder einen Schritt aus dem Tagesgeschäft heraus zu treten und nach den Verortungen zu fragen: Wo kommen wir her? Wo wollen wir hin und wo stehen wir gerade? Neue Allianzen bedeuten vor allem auch neue Herausforderungen. Und das fortlaufend, permanent. Handlungsroutinen fehlen dagegen. Das kann leicht zur Überforderung führen. Es ist also gut, wenn da jemand ist, der sagt: Wir machen jetzt einen Break und schärfen unseren Fokus. Wir wissen alle, wir haben viel zu tun, aber lasst uns sortieren, was die Prioritäten sind und ob wir unsere Ressourcen gut einsetzen.

Könnten Sie das vielleicht kurz an einem Beispiel etwas näher erläutern?
Grabosch: Ganz konkret hat uns zum Beispiel zuletzt das Thema Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt. Jede Institution verfügt über ihre eigene Außendarstellung. Zusätzlich gilt es nun, einen gemeinsamen Webauftritt, gemeinsame Social-Media-Kanäle zu pflegen, Einladungen zu verschicken, Pressemitteilungen zu verfassen – und auch jeweils mit dem TRAFO-Programmbüro abzustimmen. Hier kann nicht jeder alles machen, wenngleich alle involviert sind. Wir haben daher mithilfe einer Zeitleiste Themenfelder priorisiert, Zielgruppen und inhaltliche Verantwortlichkeiten geklärt, sodass jeder weiß, was er wem zuliefert, an wen er sich wofür wenden kann und wo sich – etwa durch gegenseitiges Verlinken und Re-Posts – der Aufwand schmälern und die Schlagkraft erhöhen lässt.

Wie schaffen sie den Raum für die Reflektion der Arbeit im Projekt?
Grabosch: Wir haben dafür regelmäßige Sitzungen – alle sechs bis acht Wochen – mit allen Partnern zusammen. Wir fragen im Vorhinein ab, was aktuell anliegt, welche Bedarfe sich aus der Zusammenarbeit ergeben haben. Wir bereiten die Themenstellungen dann für das Treffen gezielt auf, um sie in die Runde zu geben, mit der Ansage: Das sind Fragen, mit denen ihr euch gemeinsam beschäftigen solltet.

Wir bringen als Prozessbegleiter nicht so sehr Ergebnisse mit, sondern Fragen und Methoden, um darüber ins Gespräch zu kommen. Wichtig ist aber auch zu schauen, betrifft diese oder jene Schwierigkeit überhaupt alle Partner? Wenn nicht, belasten wir damit nicht die Gesamtgruppe, sondern versuchen das Problem mit der Institution allein zu lösen. Dieses Entzerren und Entlasten der Zusammenarbeit ist wichtig, um handlungsfähig zu sein.

So lag beispielsweise ein zu großer Teil der regionalen Projekt-Umsetzungen bei der sogenannten Regionalmanagerin des Projektteams, also der Mitarbeiterin des „TraVobils - Büro für Kulturelle Einmischung“. Aus Einzelgesprächen ergab sich zum einen, dass es eine Aufgabe des Gesamtteams ist, das Profil des TraVobils zu schärfen. Zum anderen wurde den Kulturinstitutionsleitungen klar, dass und wie sie sich stärker an der Umsetzungsebene beteiligen und Verantwortungsbereiche aufteilen können. Das ist vor allem wichtig, weil das TraVobil an beiden Kultureinrichtungen gleichermaßen angesiedelt ist.

Wie werden denn aus Ihrer Sicht gemeinsame Entscheidungen vorbereitet? Und wer trifft schließlich Entscheidungen?
Grabosch: Wichtig ist, dass alle Partner lernen, welche Entscheidungen sie besser allein treffen und welche das Projekt so betreffen, dass sie nur gemeinsam entschieden werden können. Also: Wo kann ich allein entscheiden, weil hier meine Kompetenzen liegen? Wen muss ich miteinbeziehen? Wie transparent muss ich sein? Die Transparenz und Optimierung solcher Entscheidungsfindungsprozesse ist ein wichtiger Punkt, damit das Projekt ins Rollen kommt.

Frau Ortstadt, Frau Schmirler-Wortmann und Frau Grabosch, vielen Dank für das Gespräch.