In Nordrhein-Westfalen will das Programm „Dritte Orte – Häuser für Kultur und Begegnung im ländlichen Raum“ für fünf Jahre Kultur- und Bildungseinrichtungen beim Umbau zu sogenannten Dritten Orten unterstützen. Was das Initial für das Programm war und welche Ideen es verfolgt, erläutert der Parlamentarische Staatssekretär Klaus Kaiser vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft.
Lieber Herr Kaiser, warum fördern Sie in Nordrhein-Westfalen speziell ländlich geprägte Regionen mit Programm „Dritte Orte“?
Klaus Kaiser: Ziel unserer Kulturpolitik in Nordrhein-Westfalen ist es, für urbane und ländliche Regionen passgenaue Programme anzubieten. Kulturelle Teilhabe gehört zur regionalen Daseinsvorsorge und zur Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Es geht darum, die Bedarfe aber vor allem auch die Potenziale in ländlich geprägten Regionen stärker als bisher in den Blick zu nehmen.
Die kulturelle Infrastruktur in eher ländlichen Regionen unterscheidet sich von der kulturellen Infrastruktur in großen Städten. Gerade im ländlichen Raum besteht ein erhöhter Handlungsdruck, ausgelöst durch gesellschaftliche und technologische Veränderungen. Vielerorts sieht sich die kulturelle Infrastruktur einem Strukturwandel ausgesetzt. Hier braucht es neue Ideen und bedarfsorientierte Lösungen, die von Kulturschaffenden, Politik und Verwaltung gemeinsam entwickelt werden müssen. Sicherlich braucht es im ländlichen Raum auch andere Herangehensweisen und Konzepte als in den Städten. Diesem Umstand trägt die Landesregierung Rechnung.
In diesen Überlegungen liegt die Begründung für die Entwicklung unseres Förderprogramms „Dritte Orte – Häuser für Kultur und Begegnung im ländlichen Raum“, bei dem es um die Weiterentwicklung von Kultureinrichtungen und -angeboten in den ländlich geprägten Regionen geht.
Wie definiert das Programm den Begriff Dritter Ort?
Kaiser: Im Rahmen des Förderprogramms des Landes zeichnet sich eine Kultureinrichtung als Dritter Ort durch folgende Merkmale aus: einen niedrigschwelligen Zugang, eine einladende Atmosphäre, verschiedene Nutzungsmöglichkeiten sowie die Mitwirkung von Bürgerinnen. Die Dritten Orte sollen dazu beitragen, den Zugang zu Kunst, Kultur und kultureller Bildung in allen ländlich geprägten Landesteilen und für alle Bevölkerungsgruppen zu verbessern und als Orte der Begegnung den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Zugleich sichern und erweitern sie die kulturelle Infrastruktur im ländlichen Raum und beziehen dabei haupt- und ehrenamtliche Aktivitäten gleichermaßen ein. Wir brauchen diese Orte, an denen experimentiert wird, sich neue Kunstformen entwickeln und präsentiert werden können. Orte, die nicht ausschließen, sondern verbinden, an denen demokratische Auseinandersetzung stattfindet und Begegnung entsteht.
Was sind die Ziele, die in welchem Zeitraum erreicht werden können?
Kaiser: Das Programm ist mit ca. 14 Millionen Euro ausgestattet und in zwei Förderphasen eingeteilt. Zunächst ist eine Laufzeit von fünf Jahren vorgesehen. In der ersten, aktuell laufenden Förderphase werden 17 Vorhaben mit jeweils 50.000 Euro bei der Entwicklung von kreativen, mutigen und kooperativ erarbeiteten Konzepten sowohl finanziell als auch fachlich unterstützt. Die durch eine Fachjury getroffene Auswahl spiegelt die Vielfalt von Möglichkeiten für die Entwicklung von Dritten Orten wider. Die Konzepte machen sich die Potenziale ganz unterschiedlicher Akteure zu Nutze und zeigen, wofür Kultur vor allem in den ländlichen Räumen steht: Engagement und Kooperation, Bereitschaft für Veränderung und Ideenreichtum. Schon die bisher geförderten Projekte sorgen für wichtige Impulse in den jeweiligen Regionen.
Besonders erfreulich ist, dass auch viele der in der ersten Phase nicht geförderten Projekte an ihrem Konzept weiterarbeiten. Dabei haben wir sie unterstützt, indem wir zusätzliche Workshops und Veranstaltungen für Interessierte angeboten haben. Sie haben jetzt alle die Chance, sich für die zweite Phase, die Umsetzungsphase, zu bewerben, für die seit Anfang März 2020 parallel die Ausschreibung läuft. Hier werden ca. 30 Projekte mit einer maximalen Fördersumme von jeweils 450.000 Euro für drei Jahre gefördert werden können. Für die Umsetzungsphase können sich sowohl die in der ersten Phase geförderten 17 Träger als auch weitere Projekte aus Nordrhein-Westfalen bewerben.
Der große Zuspruch zu dem Programm „Dritte Orte“, der sich nicht nur in der hohen Zahl an Bewerbungen für die Konzeptionsphase – es waren über 150 – gezeigt hat, macht deutlich, dass das Programm den richtigen kulturpolitischen Nerv getroffen hat und an den tatsächlichen Bedarfen ansetzt.
Erschienen am 09.07.2020.