Das Landleben ist in den Medien angesichts demografischer, infrastruktureller und wirtschaftlicher Veränderungen allgegenwärtig. In Zeitungen, Zeitschriften und im Fernsehen, in politischen Reden, ökonomischen Kalkulationen und in demografischen Untersuchungen werden Bilder ruraler Lebenswelten aufgerufen, die einerseits romantische Vorstellungen einer neuen Landlust bedienen und andererseits düstere Szenarien von ‚sterbenden’ Dörfern entwerfen. Der ländliche Raum als Imaginationsraum, so scheint es, hat gerade in Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs Konjunktur.
Auch die zeitgenössische Literatur schöpft aus dem Landleben ihre Geschichten. In und mit ihnen werden ländliche Lebenserfahrungen angesprochen und gestaltet, Wünsche, Belastungen und Ängste ausgedrückt und verarbeitet, Veränderungen thematisiert und reflektiert. Diese Geschichten sind nicht allein dokumentarischer Natur; sie verdichten und verzerren, ironisieren und fantasieren, spitzen zu und stellen in Frage: Was bedeutet der Wandel ganzer Landstriche und Regionen für die Menschen, die in ihnen leben? Welche Probleme und Herausforderungen, Ängste und Hoffnungen, Erinnerungen und Utopien haben sie? Welche Vergangenheiten erinnern sie, in welcher Gegenwart leben sie und wie könnte ihre Zukunft aussehen?
Mit diesen und anderen Fragen befasste sich 2016 die Lesereihe „Über Land“, eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes und des Forschungsprojekts „Experimentierfeld Dorf“ an der Martin-Luther-Universität Halle, das durch die Volkswagenstiftung gefördert wurde.
Die Stationen der Lesereihe im Einzelnen:
12. Januar 2016: Andreas Maier las aus „Der Ort“
9. Februar 2016: Katharina Hacker las aus „Eine Dorfgeschichte“
8. März 2016: Regina Scheer las aus „Machandel“
12. April 2016: Annika Scheffel las aus „Bevor alles verschwindet“
3. Mai 2016: Jan Brandt las aus „Gegen die Welt“
8. Juni 2016: Saša Stanišić las aus „Vor dem Fest“
Begleitet wurden diese Lesungen mit einer anschließenden Diskussion sowie einer Fotoausstellung von Studierenden des Fachbereichs Design der Fachhochschule Potsdam. 2015 haben zehn Studierende fünf sehr unterschiedliche Regionen im ländlichen Raum fotografisch erkundet und porträtiert: Im Oderbruch, in der Saarpfalz, auf der Schwäbischen Alb, in Idar-Oberstein sowie in Südniedersachsen. Die Arbeiten, die in wechselnden Ausstellungen im Foyer der Kulturstiftung des Bundes zu sehen waren, spiegeln die Gebiete in ihrer Unterschiedlichkeit – ihre Bewohner, Eigenheiten, die Landschaft und ihre Räume.