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Engagement durch kulturellen Eigensinn? Wie es gelingen kann, dass Menschen ihr Umfeld aktiv mitgestalten.

Die TRAFO-Ideenreise #4 führte uns gemeinsam mit dem Programm „Neulandgewinner“ am 14. und 15. März 2023 nach Demmin und Tribsees in Mecklenburg-Vorpommern. Im Zentrum der Exkursion stand die Frage, wie durch künstlerische Projekte viele Menschen in einer Stadt beteiligt und zur Mitgestaltung eingeladen werden können. Um dies herauszufinden, besuchten wir den Verein T30 in Demmin und den Frauenverein aus Tribsees, die davon berichteten, wie es gelingen kann, einen ganzen Ort in Bewegung zu bringen.

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„Jeder lebt erstmal in seiner Blase. Wir haben versucht, diese Blasen zu durchbrechen und neue Verbindungen zu schaffen“
Hannah Kuke, T30 e.V.

Am ersten Tag der Ideenreise lernen wir in intensiven Gesprächen den Verein T30 und durch einen „Hörspaziergang“ durch Demmin den Ort selbst und seine Besonderheiten kennen.

Die Neulandgewinnerinnen Hannah Kuke und Sarah Dittrich haben sich entschieden von Zuschauerinnen zu Macherinnen zu werden und gründeten 2018 den Verein T30 e.V. in Demmin. Die beiden und inzwischen rund 50 aktive Vereinsmitglieder machen mit ihrem persönlichen Engagement von ihrem Vereinsstandort in der Innenstadt aus sichtbar, was vor Ort schon da ist und bringen darüber hinaus neue Impulse nach Demmin. „Es ist immer eine Frage, wer eine Stadt oder Gesellschaft gestaltet. Bisher waren das die klassischen Strukturen: Stadtverwaltung, Chor, Sportverein. Wir machen das anders. Wir schaffen Momente, um Menschen in Kontakt zu bringen“, beschreibt Sarah Dittrich die Arbeit des Vereins. Dabei spielen Kunst und Kultur eine große Rolle. Neben einer regelmäßigen Künstlerresidenz werden zum Beispiel Wettbewerbe zur Gestaltung des öffentlichen Raums ausgeschrieben oder alle Bürgermeisterkandidaten vor der Kommunalwal portraitiert.

Der T30 e.V. wird von der Verwaltung daher inzwischen als „Übersetzer“ in die Stadtgesellschaft wahrgenommen, die Kulturaktiven und Menschen der Region schätzen ihn als „Anlaufstelle“ für kulturelle Projekte und als aktiver „Vernetzer“ interessierter Akteure und Ehrenamtler. Seine kreative und unparteiische Arbeit hat ihm dabei viele Türen geöffnet und neue Gesprächsmöglichkeiten für alle Beteiligten geschaffen. Vor allem aber begeistern die Neulandgewinnerinnen auch andere Menschen aus der Region, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen und mitzuwirken, mitzugestalten oder auch einfach nur die Objekte zu nutzen, die inzwischen fest im Stadtbild verankert sind.

„Wir haben uns mit Händen und Füßen gesträubt und gesagt, das ist nichts für uns! Dann hat Susanne [die Künstlerin] uns erstmal in Ruhe gelassen. Aber sie hat einen zweiten Anlauf genommen und dann einen dritten. Schließlich haben wir gesagt, wir machen mit. Am Ende ist diese Zusammenarbeit zu unserem absoluten Highlight geworden.“
Brigitte Blodow, Vorsitzende Frauenverein

Am Tag zwei der TRAFO-Ideenreise treffen wir den Frauenverein in Tribsees, den Bürgermeister Bernhard Zieris und die Künstlerin Susanne Gabler. Sie geben Einblick in eine ungewöhnliche Zusammenarbeit, die im Rahmen des großen künstlerischen Beteiligungsprojektes „Tribsees Zukunft machen“ ihren Anfang nahm und noch immer besteht.

Gegründet vor rund 30 Jahren, ist der Frauenverein bis heute ein wichtiger Akteur in der Stadt und beteiligt sich an der Ausrichtung von Festen, kooperiert mit dem Jugendclub, organisiert Ausflüge und Diskussionsrunden für die 2.600 Menschen, die hier leben. Das Durchschnittsalter des Frauenvereins liegt bei 76 Jahren, was sich als Herausforderung für den Fortbestand des Engagements abzeichnet, sich aber auch als Stärke für generationsübergreifendes Arbeiten vor Ort zeigt.

Als der Bürgermeister 2021 das künstlerische Beteiligungsprojekt nach Tribsees holte, um gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern, Studierenden der Universität Linz und ihrem Professor Ton Matton sowie der Projektleiterin Sofie Wagner die vielen leerstehenden Häuser im Ort zu bespielen, ließen sich die Frauen des Frauenvereins dazu überreden, gemeinsam mit Susanne Gabler ein Haus zu reparieren: im öffentlichen Raum und mit Nadel und Faden. Nachdem die anfängliche Skepsis der Begeisterung gewichen war, wuchs der Mut, sich mit diesem Projekt auch den Fragen der Passanten zu stellen und Gespräche zu führen.

Auch nach eineinhalb Jahren wirkt die Erfahrung nach, denn die Zusammenarbeit am Haus und die Arbeit mit der Künstlerin ist in Tribsees zum Highlight geworden. Das reparierte Haus hat jetzt eine neue Geschichte – eine die vom Aufbruch erzählt, von Mut und positiver Energie. Eine Energie, die sich in ganz Tribsees spüren lässt und auch den Frauenverein dazu ermutigt, neue Wege einzuschlagen, zum Beispiel um neue Mitglieder zu gewinnen.

Weiterführende Infos:

T30 e.V.
Programm Neulandgewinner